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Thema des Monats: Aggression und Beißereien unter Hunden
Diskussionsrunde
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Ursula Aust lädt Sie zu einem geplanten Zoom-Meeting ein.
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1. Was bedeutet Aggression beim Hund wirklich?
Aggression ist ein natürlicher Bestandteil hundlicher Kommunikation. Sie ist nicht per se gefährlich, sondern erfüllt wichtige Funktionen:
- Abgrenzung & Selbstschutz
- Ressourcenverteidigung
- Regulation sozialer Beziehungen
- Stressabbau / Frustration
Hauptformen der Aggression:
Art | Typisches Verhalten | Häufiger Kontext |
Ressourcenaggression | Knurren, Fixieren, Beißen | Futter, Spielzeug, Menschen |
Soziale Aggression | Drohen, Rempeln, Attackieren | Dominanz-/Rangordnungskonflikte |
Frustrationsaggression | Plötzliche Explosion, Übersprungverhalten | An der Leine, eingeschränkter Zugang |
Angst-/Schutzaggression | Rückzug, dann plötzliche Verteidigung | Bedrängung, Unsicherheiten, Traumata |
Weitergeleitete Aggression | Angriff auf Unbeteiligte | Stress oder Erregung durch andere Reize |
2. Beißstatistiken: Ein realistischer Blick
Was sagen die Zahlen?
Beißvorfälle werden bundesweit nicht einheitlich erfasst, aber Daten aus mehreren Bundesländern (z. B. NRW, Bayern, Berlin) zeigen:
- 70–85 % der Beißvorfälle passieren im privaten Umfeld (eigenes Zuhause, Bekannte).
- Kinder sind besonders gefährdet – nicht wegen Aggression, sondern durch Fehlinterpretation von Hundesignalen.
- Häufig betroffene Rassen sind oft auch häufig gehaltene Rassen – wie Schäferhund, Labrador oder Staffordshire-Typen.
Fazit: Beißstatistik ≠ „gefährliche Rassen“ – entscheidend sind Haltungsbedingungen, Erfahrung des Halters, Auslastung und Erziehung.
3. Rassetypische Verhaltensweisen – oft missverstanden
Windhunde & Jagdsequenz
Windhunde (z. B. Whippet, Greyhound) zeigen eine genetisch fixierte Jagdsequenz:
Orientieren → Fixieren → Hetzen → Packen → Töten → Fressen
Bei Windhunden ist insbesondere das Hetzen extrem stark ausgeprägt – oft ohne vorheriges Erkundungsverhalten. Bewegungsreize wie Kinder, Jogger oder Kleintiere lösen instinktive Reaktionen aus.
Missverständnis: Dieses Verhalten wird fälschlich als „Aggression“ gegenüber Menschen oder Hunden gedeutet.
Windhundverhalten ist triebgesteuert, nicht emotional motiviert. Management (z. B. Sichtschutz, Schleppleine, Impulskontrolltraining) ist essenziell.
Hütehunde & Kontrolltrieb
Border Collies, Australian Shepherds oder Kelpies besitzen einen ausgeprägten Kontrolltrieb. Auch sie nutzen Jagdsequenzen, aber in abgewandelter Form:
Orientieren → Fixieren → Treiben → Einsammeln
Dieses Verhalten zeigt sich oft als:
- Fixierendes Anstarren
- Einkreisen von Kindern, Radfahrern, anderen Hunden
- Zwicken oder „Anstupsen“
Missverständnis: Dieses Verhalten wird als „dominant“ oder „aggressiv“ interpretiert, obwohl es triebgesteuert ist.
Diese Hunde brauchen mentale Auslastung, Struktur und klare Aufgaben – sonst entwickeln sich aus Hüteverhalten Zwangsstörungen oder Kontrollaggression.
4. Wie entstehen Beißereien zwischen Hunden?
Beißereien unter Hunden haben meist nachvollziehbare Ursachen – selten sind sie „plötzlich“. Ursachen sind u. a.:
- Fehlende soziale Erfahrung oder schlechte Sozialisierung
- Hoher Stresslevel / Reizüberflutung
- Schlechte Lesbarkeit durch züchterisch bedingte Merkmale (z. B. kurzes Gesicht, Rute kupiert)
- Ressourcen wie Futter, Spielzeug, Mensch
- Engführung durch Leine oder Raumenge
Frühsignale erkennen:
- Anspannung, Verlangsamung
- Anstarren oder Bogenlaufen
- Maulspalte eng, Lefzen gespannt
- Stellreflexe (Nackenfell, Rutenhaltung)
- Fixieren und kontrolliertes Einfrieren („freezing“)
Eingreifen sollte immer erfolgen, bevor es zur Eskalation kommt – nicht erst bei Knurren oder Biss.
5. Prävention, Deeskalation & Differenzierung
Effektive Strategien:
- Körpersprache schulen: In Seminaren oder Trainingsgruppen lernen, Kommunikation zu lesen
- Rassespezifisches Wissen fördern: Verhalten im Kontext betrachten
- Management vor Training: Schleppleine, Doppelsicherung, klare Strukturen
- Deeskalation statt Korrektur: Auf Stress reagieren, nicht bestrafen
Vermeiden:
- Pauschalurteile à la „Der will nur dominieren“
- Gewaltbasierte Methoden (Wurfketten, Leinenrucks)
- Zwanghafte Konfrontationen mit Triggern
6. Menschliche Intervention bei Beißereien: Was tun im Ernstfall?
Beißereien zwischen Hunden können sehr schnell eskalieren – besonders dann, wenn Menschen panisch oder unkontrolliert eingreifen. Der häufigste Fehler ist der Versuch, die Hunde mit bloßen Händen oder durch Ziehen an der Leine zu trennen. Dies führt oft zu:
- Verletzungen beim Menschen (Reflexbiss)
- Verstärkter Frustration oder Fixierung beim Hund
- Verlängerung der Auseinandersetzung
Grundsatz: Sicherheit geht vor.
Sofortmaßnahmen im Ernstfall:
- Ruhe bewahren!
Panik oder Schreien verschlimmern die Situation. Hunde reagieren empfindlich auf menschliche Erregung. - Nicht dazwischen greifen!
Keine Hände, Beine oder Leinen zwischen die Hunde bringen – das Risiko schwerer Bissverletzungen ist hoch. - Mit Gegenständen arbeiten:
- Decke, Jacke, große Tasche: Über die Hunde werfen, um Sichtkontakt zu unterbrechen
- Regenschirm, Brett o. Ä.: Abstand schaffen, ohne direkt zu treffen
- Wasser (z. B. Trinkflasche) oder Lärm (z. B. Hupe, Schlüsselbund) zur Ablenkung
- Hinterbein-Methode (nur mit Erfahrung):
Wenn ein Hund den anderen fixiert und hält:- Beide Halter koordinieren sich
- Jeweils den angreifenden Hund an den Hinterbeinen fassen und rückwärts im Bogen wegziehen
- Niemals frontal ziehen – erhöht den Bissdruck!
- Danach sofort trennen und Abstand herstellen.
Nach dem Vorfall:
- Sofort medizinisch versorgen – auch kleine Wunden!
- Hunde professionell untersuchen lassen (Adrenalin kaschiert Schmerzen)
- Beide Hunde in Ruhe halten – keine Konfrontation oder Bestrafung
- Bei wiederholten Vorfällen: Trainer:in oder Verhaltenstherapeut:in hinzuziehen
Häufige Fehler:
Fehler | Warum problematisch |
Anbrüllen oder Draufschlagen | Eskaliert den Stress – Gefahr für Mensch und Hund |
„Strafe hinterher“ | Der Hund kann die Strafe nicht verknüpfen |
Leine als Waffe | Verstärkt Druck und Angst – keine Lösung |
Beide Hunde festhalten, aber nicht trennen | Hält die Eskalation fest – keine Deeskalation |
Einseitiges Schuldzuschreiben | Verhalten ist immer kontextabhängig |
Präventive Maßnahmen für Mensch und Hund:
- Kommunikation trainieren: Körpersprache lesen, eigene Signale verbessern
- Leinenmanagement: Kein „Aufeinanderrennen“, keine Konfrontation auf engem Raum
- Trigger erkennen und meiden
- Notfallpläne besprechen in Mehrhundehaushalten oder Trainingsgruppen
Schlusswort
Konflikte unter Hunden sind Teil ihrer Sozialkommunikation – Beißereien können vorkommen, sind aber fast immer vorhersehbar und vermeidbar, wenn Menschen ihre Rolle verstehen. Richtiges Verhalten im Ernstfall schützt Leben, stärkt Vertrauen – und kann langfristig Eskalationen verhindern
7. Fazit & Ausblick
Aggression beim Hund ist ein komplexes Thema, das Sachlichkeit und Wissen verlangt. Rassespezifisches Verhalten, Missverständnisse und soziale Konflikte führen oft zu Eskalationen, die vermeidbar wären. Trainer:innen haben die Verantwortung, Wissen zu vermitteln, Verhalten im Kontext zu deuten – und Menschen wie Hunde durch Konflikte zu begleiten, statt zu sanktionieren.
Quellen & Empfehlungen:
- Sachkundeprüfung NRW, Beißstatistik 2024
- Udo Gansloßer: Hundepsychologie
- Turid Rugaas: Calming Signals
- Studien zur rassebezogenen Aggression (TU Hannover, LMU München)
Vorschau: Juli-Ausgabe 2025
Thema: Die Stufen der Aggressionspyramide – Hundeverhalten richtig einordnen

In dieser Ausgabe beleuchten wir die verschiedenen Stufen hündischer Aggression – von subtilen Beschwichtigungssignalen bis zur tatsächlichen Beißhandlung. Mit einer Eskalationspyramide, praktischen Fallbeispielen und Trainer-Tipps zur Deeskalation.
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